EDA 4: Edward Elgar | Camille Saint-Saëns: Piano Quintets
II: Camille Saint-Saëns – Piano Quintet in A minor op. 14 (1855)
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EDA 4: Edward Elgar | Camille Saint-Saëns: Piano Quintets
I: Edward Elgar – Piano Quintet in A minor op. 84 (1918–19)

1 Moderato EDA 4: Edward Elgar | Camille Saint-Saëns: Piano Quintets
I: Edward Elgar – Piano Quintet in A minor op. 84 (1918–19)
1 Moderato

2 Adagio EDA 4: Edward Elgar | Camille Saint-Saëns: Piano Quintets
I: Edward Elgar – Piano Quintet in A minor op. 84 (1918–19)
2 Adagio

3 Andante – Allegro EDA 4: Edward Elgar | Camille Saint-Saëns: Piano Quintets
I: Edward Elgar – Piano Quintet in A minor op. 84 (1918–19)
3 Andante – Allegro

II: Camille Saint-Saëns – Piano Quintet in A minor op. 14 (1855)

4 Allegro moderato e maestoso EDA 4: Edward Elgar | Camille Saint-Saëns: Piano Quintets
II: Camille Saint-Saëns – Piano Quintet in A minor op. 14 (1855)
4 Allegro moderato e maestoso

5 Andante sostenuto EDA 4: Edward Elgar | Camille Saint-Saëns: Piano Quintets
II: Camille Saint-Saëns – Piano Quintet in A minor op. 14 (1855)
5 Andante sostenuto

6 Presto EDA 4: Edward Elgar | Camille Saint-Saëns: Piano Quintets
II: Camille Saint-Saëns – Piano Quintet in A minor op. 14 (1855)
6 Presto

7 Allegro assai, ma tranquillo EDA 4: Edward Elgar | Camille Saint-Saëns: Piano Quintets
II: Camille Saint-Saëns – Piano Quintet in A minor op. 14 (1855)
7 Allegro assai, ma tranquillo

Als sich Sir Edward Elgar und Camille Saint-Saëns im Jahr 1913 anlässlich des Three Choirs Festival in der englischen Stadt Gloucester trafen, lag die Komposition von Saint-Saëns' Klavierquintett schon über fünfzig Jahre zurück, wohingegen Elgar das seine noch fünf Jahre vor sich hatte. Gemeinsam war beiden Komponisten zur Zeit ihres Zusammentreffens, dass sie als hochgeachtete Künstlerpersönlichkeiten quasi eine Epoche der Musikgeschichte ihrer Heimatländer verkörperten, so unterschiedlich ihr Leben in künstlerischer und sozialer Hinsicht auch verlaufen war.

Über ein Jahrzehnt hatte Elgar die Ignoranz des akademischen englischen Musikbetriebs zu spüren bekommen und sich nach einem gänzlich erfolglosen einjährigen Aufenthalt in London 1891 enttäuscht in die Provinz zurückgezogen. Dort schrieb er zwischen 1892 und 1899 jene Oratorien und Orchesterwerke, die ihm schließlich die schwer erkämpfte Anerkennung in der Hauptstadt einbringen sollten und ihn in der Folgezeit zum bekanntesten Komponisten des Edwardschen England werden ließen: King Olaf, The Dream of Gerontius, Enigma-Variations u.a. Zwischen 1904 und 1911 verliehen ihm zwei englische Könige den persönlichen Adel und den Order of Merit, und nicht weniger als acht heimische und amerikanische Universitäten verliehen ihm den Ehrendoktor. Es folgten die beiden Symphonien, das schon bald sehr populäre Violinkonzert und, im Jahre 1913, die Symphonische Etüde Falstaff. Als England in den 1. Weltkrieg eintrat, stand Elgar im Zenit seines kompositorischen Schaffens und seine Musik im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Sein Verhältnis zum Krieg ist heute schwer eindeutig zu definieren. Natürlich war er zunächst der Komponist von Land of Hope and Glory, selbst wenn der Text dem Marsch aus Pomp and Circumstance erst übergestülpt werden musste, und so ist es wenig erstaunlich, dass er zu zahlreichen Gelegenheitskompositionen für militärische und karitative Zwecke aufgefordert wurde und einen militärischen Rang bekleidete. Dennoch bedeutete der Krieg für Elgar einen tiefen künstlerischen Einschnitt, nicht zuletzt aufgrund der Blockade englischer Musik in weiten Teilen des Kontinents, die Elgars dort mühsam erworbenem Ansehen einen Schaden zufügte, von dem es sich nie wieder wirklich erholen sollte. Die Zeiten nach dem Krieg waren andere, Epochen gingen zu Ende, und mit ihnen verloren viele ihrer Protagonisten sowohl ihre Wurzeln als auch ihr Publikum. Elgar mag dies gespürt haben, als er sich im Mai 1917 abermals aus London zurückzog, um sich in einem Landhaus in Sussex niederzulassen.

Hier vollzieht sich nun in den kommenden zwei Jahren etwas, das in der Musikgeschichte in dieser Ausschließlichkeit fast einmalig dasteht: Elgar, der Komponist großdimensionierter Chor-und Orchesterwerke mit zumeist programmatischem Inhalt oder entsprechendem Vorwurf, schreibt in kürzester Zeit vier Werke absoluter Musik, von denen drei einer Gattung angehören, die er bislang fast völlig vernachlässigt hat: der Kammermusik. Es entstehen die Violinsonate op. 82, das Streichquartett op. 83, das Klavierquintett op. 84 und das Cellokonzert op. 85. Über Elgars Beweggründe, sich abstrakteren Ausdrucksformen als je zuvor zuzuwenden, könnte viel spekuliert werden. Denkbar, dass er wie manch anderer Komponist der Meinung war, dass der Rückgriff auf die reduzierten Möglichkeiten der Kammermusik die Krönung eines Komponistenlebens darstellen müsse, zumal er gefühlt haben könnte, dass seinen Ruhm als Orchesterkomponist zu vergrößern nicht mehr möglich und nicht mehr nötig sein würde. Ohnehin hatte seine kompositorische Entwicklung lange Anläufe benötigt; seine 1. Sinfonie schrieb er mit 50 Jahren, besagte Kammermusikwerke mit über 60. Darüber hinaus haftet der Gruppe dieser vier Werke durchaus der Charakter eines großen Schwanengesangs an; nach diesen Werken ist nichts von wirklicher Bedeutung mehr entstanden, und ihre Tendenz zur nostalgischen Betrachtung und der ihnen vielfach nachgesagte "herbstliche Charakter" sind deutlich spürbar.

Das Klavierquintett a-Moll op. 84 wurde im Sommer 1918 begonnen und nach einer privaten Voraufführung im April schließlich am 21. Mai 1919 in der Wigmore Hall in London uraufgeführt. Um die Entstehung des Quintetts ranken sich mancherlei Geschichten, die im Endeffekt sogar ein mehr oder minder heimliches Programm hinter diesem Werk vermuten lassen könnten. Fest steht, dass sich Elgar während der Arbeit an diesem und den anderen drei Werken dieser Zeit ausnehmend häufig in den ausgedehnten Wäldern um seinen Landsitz Brinkwells aufhielt. Sowohl einer seiner ersten Biographen, der Geiger (und Mitinterpret der Uraufführung des Quintetts) W. H. Reed, als auch Elgars Frau Lady Alice weisen darüber hinaus auf die Faszination hin, die eine Gruppe anscheinend vom Blitz getroffener Bäume mit knorrigen, verkrümmten Ästen auf Elgar ausgeübt haben muss, die sich in der Nähe seines Hauses befanden.

Basil Maine erzählt in seinem 1933 erschienenen Buch Elgar: his Life and Works die dazu passende Geschichte: "Die verdorrten Bäume unweit Elgars Häuschen in Sussex haben in dieser Gegend eine Legende hervorgerufen, nach der es heißt, dass einst auf dieser Anhöhe spanische Mönche gelebt haben, die während irgendwelcher gottloser Riten vom Tod überrascht wurden. Die Bäume stellen ihre erstorbenen Formen dar."

Tatsächlich lassen sich im charakteristischen, in Terzen harmonisierten und durch gezupfte 'alla guitarra'-Akkorde begleiteten Tanzthema im ersten Satz spanische Elemente entdecken; mit der Wahl der phrygischen Tonart mit ihrer charakteristischen kleinen Sekunde in diesem und anderen Themen mag zudem ein Hinweis auf christlich-maurische Gesänge gegeben sein. Unumstritten bleibt die Wirkung der geheimnisvollen Stimmung zu Beginn des Werkes, die Kritiker und Biographen immer wieder in ihren Bann gezogen hat. George Bernhard Shaw, mit dem Elgar eine späte Freundschaft verband, war bei der privaten Voraufführung zugegen und erklärte, diese spannungsgeladenen Takte seien "the finest thing of its kind since Coriolan".

Die zyklische Form des Werks ist klar erkennbar, jedoch verdient ein Motiv besondere Erwähnung. Es erscheint dreimal hintereinander am Ende des ersten Satzes. Dieses absteigende Viertonmotiv begegnet uns in dieser oder jener Form nicht nur immer wieder im Verlauf des Klavierquintetts, sondern auch an der ergreifendsten Stelle im Cellokonzert, nämlich dort, wo Elgar kurz vor Schluss auf den langsamen Satz zurückgreift und diesem Werk so endgültig eine Wendung ins Melancholische, fast Depressive verleiht. Offensichtlich hat ihn dieses Motiv in den letzten bedeutenden Werken fast wie ein Motto beschäftigt.

Schließlich sei noch auf die Bedeutung der Widmung 'To Ernest Newman' hingewiesen: Als Elgar im Jahr 1905 an der Universität von Birmingham Vorträge hielt, kam es einmal zu einem Wortgefecht zwischen ihm und Ernest Newman. Interessanterweise, und dies mag einem bei der Betrachtung des Elgarschen Œuvres durchaus Rätsel aufgeben, gab Elgar in diesem Disput der absoluten Musik den Vorrang vor der von Newman propagierten Programmmusik. Die tiefsinnige und fast subtile Widmung über diesem Quintett mag ein Schritt zur Lösung des Rätsels sein, nicht nur hinsichtlich dieses letzten Kammermusikwerks von Edward Elgar.

Das Jahr 1913 steht für Camille Saint-Saëns unter gänzlich anderen Vorzeichen als für Elgar. Am 6. November will er in einem Galakonzert, in dem er als Pianist, Organist und Dirigent auftritt, Abschied vom Publikum nehmen - er ist achtundsiebzig Jahre alt (durch den alsbald ausbrechenden Krieg wurde ihm dieser Abschied allerdings versagt - er trat in Kriegszeiten sogar überdurchschnittlich oft bei Benefizkonzerten auf). Zur besseren Einordnung dieses gewaltigen Lebens muss man sich vergegenwärtigen, dass 1913 auch das Jahr der Uraufführung des Sacre du printemps ist. Diese Tatsache hat nicht nur chronologische Bedeutung. Saint-Saëns, der seine von Beginn an ausgereifte musikalische Sprache über ein dreiviertel Jahrhundert kaum einer Veränderung unterworfen hatte, war nach der Jahrhundertwende immer mehr ins Abseits der Musikgeschichte nicht nur seines eigenen Landes geraten und galt nur mehr als konservativer Eklektizist. Schnell wurde vergessen, dass er fast als einziger über Jahrzehnte die in Frankreich verpönten Gattungen der Symphonie und der Kammermusik gepflegt hatte; dass er es war, der als Pianist die damals so gut wie unbekannten Werke Beethovens, Schumanns und Wagners in Paris bekannt machte; dass er als Musikwissenschaftler die ersten Gesamtausgaben der Werke Jean-Philippe Rameaus und Christoph Willibald Glucks betreute; dass er als der bedeutendste Organist und Improvisateur seiner Zeit galt; dass er darüber hinaus als Dichter, Astronom, Philosoph, Naturwissenschaftler, Archäologe, Ethnologe, Zeichner und Karikaturist ein Mensch von universeller Bildung und eine der größten Persönlichkeiten des 19.Jahrhunderts war.

Geboren wurde Saint-Saëns acht Jahre nach dem Tod Beethovens, im Oktober 1835. Nicht nur auf musikalischem Gebiet war er ein Wunderkind; Sprachen flogen ihm ebenso zu wie Naturwissenschaften. Mit dreieinhalb Jahren schreibt er seine erste Komposition, mit sechs das erste Lied, mit zehn gibt er in der Pariser Salle Pleyel sein Debut als Konzertpianist und spielt neben Solowerken ein Klavierkonzert von Mozart und eines von Beethoven. Er studiert zunächst Orgel, später Komposition bei Fromental Halévy. 1852 bewirbt er sich um den Prix de Rome, 1853 reicht er bei der Sociéte Sainte-Cécile anonym eine Symphonie ein, die im gleichen Jahr als Werk "eines unbekannten deutschen Komponisten" uraufgeführt wird. Der Erfolg ist enorm, die Sensation, als das Geheimnis um die tatsächliche Urheberschaft in Person des gerade achtzehnjährigen Saint-Saëns gelüftet wird, perfekt.

Zwei Jahre später entsteht als op. 14 das Klavierquintett a-Moll. Saint-Saëns war zu dieser Zeit bereits Organist an der Eglise de la Madeleine und schrieb, was man von ihm erwartete, nämlich Kirchenmusik. Dass er aber nach seinen inzwischen drei Symphonien nun auch noch ein Klavierquintett vorlegte, stieß auf Skepsis und Ablehnung. "Als junger Komponist begegnete er damals großen Schwierigkeiten, denn das französische Publikum stand der Kammermusik feindlich gegenüber, und der geniale Jüngling erstrebte den Triumph und die Pflege dieser 'höchsten' Musikgattung" (Jules Combarieu, 1901). Sowohl Symphonie als auch Kammermusik galten als Genres der deutsch-österreichischen Tradition, und mit der Pflege dieser in Frankreich als 'germanisme' missbilligten Gattungen begab sich Saint-Saëns mit der ihm eigenen Kompromisslosigkeit auf ein gefährliches Terrain. Insofern kann seinem Klavierquintett im Kontext der französischen Musikgeschichte durchaus eine revolutionäre Stellung zuerkannt werden.

Saint-Saëns bekennt sich mit seinem Quintett abermals zu seinen musikalischen Vorbildern der Wiener Klassik und der Frühromantik; der Einfluss von Schubert und Schumann ist unverkennbar. Dennoch vermag er in seinem Werk darüber hinausgehende Akzente zu setzen. So sind beispielsweise die thematische Verquickung der bei den Ecksätze und der attacca-Übergang vom Andante sostenuto zum furiosen Scherzo (Presto) für die damalige Zeit zumindest ungewöhnlich, mehr noch ist es die ad-libitum-Erweiterung des Instrumentariums in diesem Satz durch einen Kontrabass zum Sextett; eine Möglichkeit, von der auf dieser Aufnahme Gebrauch gemacht wird. Gänzlich anders als Elgar hat Saint-Saëns die Kammermusik sein Leben lang begleitet. Das Klavierquintett ist das chronologisch erste Werk dieser Gattung. Es trägt die Opusnummer 14; mit einer Sonate für Fagott und Klavier op. 168 beschließt er in seinem Todesjahr eine Serie von insgesamt 36 Werken, ohne ein weiteres Klavierquintett veröffentlicht zu haben.

Tilman Kannegießer

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