EDA 26: Poland Abroad – Music for String Orchestra
IV: Mieczyław Karłowicz – Serenade op. 2 (1897)
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EDA 26: Poland Abroad – Music for String Orchestra
I: Alexandre Tansman – Triptyque (1930)

1 Allegro risoluto EDA 26: Poland Abroad – Music for String Orchestra
I: Alexandre Tansman – Triptyque (1930)
1 Allegro risoluto

2 Andante EDA 26: Poland Abroad – Music for String Orchestra
I: Alexandre Tansman – Triptyque (1930)
2 Andante

3 Finale. Presto – Andante cantabile – Tempo I – Lento EDA 26: Poland Abroad – Music for String Orchestra
I: Alexandre Tansman – Triptyque (1930)
3 Finale. Presto – Andante cantabile – Tempo I – Lento

II: Simon Laks – Sinfonietta (1936)

4 Ouverture. Allegro non troppo ma con brio EDA 26: Poland Abroad – Music for String Orchestra
II: Simon Laks – Sinfonietta (1936)
4 Ouverture. Allegro non troppo ma con brio

5 Sérénade. Un poco adagio EDA 26: Poland Abroad – Music for String Orchestra
II: Simon Laks – Sinfonietta (1936)
5 Sérénade. Un poco adagio

6 Rondino. Allegro giusto EDA 26: Poland Abroad – Music for String Orchestra
II: Simon Laks – Sinfonietta (1936)
6 Rondino. Allegro giusto

7 Final fugué. Allegro vivace EDA 26: Poland Abroad – Music for String Orchestra
II: Simon Laks – Sinfonietta (1936)
7 Final fugué. Allegro vivace

III: Jerzy Fitelberg – Concerto (1928)

8 Presto EDA 26: Poland Abroad – Music for String Orchestra
III: Jerzy Fitelberg – Concerto (1928)
8 Presto

9 Andante EDA 26: Poland Abroad – Music for String Orchestra
III: Jerzy Fitelberg – Concerto (1928)
9 Andante

10 Presto EDA 26: Poland Abroad – Music for String Orchestra
III: Jerzy Fitelberg – Concerto (1928)
10 Presto

IV: Mieczyław Karłowicz – Serenade op. 2 (1897)

11 Marsch. Allegro moderato / Trio. Meno mosso EDA 26: Poland Abroad – Music for String Orchestra
IV: Mieczyław Karłowicz – Serenade op. 2 (1897)
11 Marsch. Allegro moderato / Trio. Meno mosso

12 Romanze. Andante con moto EDA 26: Poland Abroad – Music for String Orchestra
IV: Mieczyław Karłowicz – Serenade op. 2 (1897)
12 Romanze. Andante con moto

13 Walzer. Allegro moderato – Poco più mosso – Meno mosso – Tempo I EDA 26: Poland Abroad – Music for String Orchestra
IV: Mieczyław Karłowicz – Serenade op. 2 (1897)
13 Walzer. Allegro moderato – Poco più mosso – Meno mosso – Tempo I

14 Finale. Allegretto ma non troppo EDA 26: Poland Abroad – Music for String Orchestra
IV: Mieczyław Karłowicz – Serenade op. 2 (1897)
14 Finale. Allegretto ma non troppo

english translation not (yet) available. apologies. german version below.

 

"In einem Lande,
dessen Nationalhymne, dessen Nationalepos, dessen Nationaldrama
in der Emigration geschrieben wurden, kann das Wort
'Emigrant' nicht herabsetzend klingen."
 (Tadeusz Nowakowski)


'Poland abroad' lautete der Arbeitstitel für ein Festival, das vom 22.–30. Oktober 2004 unter dem schließlichen Motto 'Polen im Herzen – Komponieren in der Fremde. Polnische Komponisten in Europa 1850–1950' im Berliner Konzerthaus stattfand. Diese vom Berliner Konzerthaus, DeutschlandRadio und der Rundfunk Orchester und Chöre GmbH in zeitlicher Nähe zum Beitritt Polens zur Europäischen Union auf Anregung des Verfassers ausgerichtete Konzertreihe, die durch ein internationales musikwissenschaftliches Symposium an der Berliner Universität der Künste flankiert wurde, stellte die erste größere Präsentation ausschließlich polnischer Musik von der Romantik bis zur Klassischen Moderne dar. Die Konzerte wurden von DeutschlandRadio landesweit übertragen und durch den internationalen Rundfunkaustausch auch in Polen, Frankreich und anderen Ländern Europas ausgestrahlt. Neben zwei Sinfoniekonzerten, die vom Rundfunk Sinfonie-Orchester Berlin und dem Berliner Sinfonie-Orchester bestritten wurden, waren die Kammersymphonie Berlin, das European Fine Arts Trio und das Szymanowski Quartett zu hören. Einschließlich eines Klavier/Liederabends zur Eröffnung des Symposiums an der Universität der Künste kamen in insgesamt 6 verschiedenen Programmen 28 Werke von 15 Komponisten1  zur Aufführung. Viele davon waren als deutsche oder zumindest Berliner Erstaufführungen zu hören, im Falle der 4. Symphonie von Alexandre Tansman handelte es sich um die Uraufführung im Konzert. EDA beginnt mit vorliegender CD eine neue Serie, die sich als Fortsetzung des Berliner Festivals versteht und im Sinne der Nachhaltigkeit einen Teil des dort vorgestellten Repertoires, aber auch andere, dort nicht zu Wort gekommene polnische Komponisten vorstellen möchte.

Sowohl der bündige englische Arbeitstitel 'Poland Abroad' als auch das schließlich für das Festival gewählte deutsche Motto lassen vermuten, dass es sich bei dem vorgestellten Repertoire um einen Beitrag zu einem Randphänomen der Musikgeschichte handeln würde (dem allerdings in letzten Jahren zunehmend Bedeutung beigemessen wird): dem des Schaffens von Komponisten außerhalb der Grenzen ihres Landes, sei es in einem durch rassische oder durch politische Verfolgung erzwungenen Exil. Ein genauerer Blick auf die im westlichen Musikleben vollkommen unterrepräsentierte Musik Polens zwischen Chopin und Lutosławski zeigt allerdings, dass das Phänomen Exil eine Konstante, ja geradezu vorherrschendes Charakteristikum der Entwicklung einer nationalen Kultur sein kann und dass deren Nichtwahrnehmung im Musikleben wie in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung gerade in dem Umstand ihrer 'Exterritorialität' ihre Begründung findet. Was für die polnische Kulturgeschichte im Allgemeinen gilt, gilt im Besonderen auch für die polnische Musikgeschichte, die nicht erst seit Chopin Exilgeschichte gewesen ist.

Nach der sogenannten 'dritten polnischen Teilung' 1795 vollends seiner staatlichen Souveränität beraubt, wurde Polen für mehr als 120 Jahre zum politischen Spielball der (Un)Heiligen Allianz Russlands, Preußens und Österreichs, die das polnische Territorium unter sich aufteilten und jegliche Unabhängigkeitsbewegung bis zur Wiedererrichtung des polnischen Staates 1918 mit Waffengewalt niederschlugen und mit bürokratischer Schikane unterdrückten. Nach einer kurzen Phase nationaler Unabhängigkeit zwischen 1918 und 1939, machte Hitler Polen zum Schauplatz eines brutalen Vernichtungskrieges, dem nicht nur die größte jüdische Population Europas sondern auch ein großer Teil der polnischen Zivilbevölkerung zum Opfer fiel. Parallel dazu setzte sich die Tradition der russischen Unterdrückung Polens fort. Nach 1945 geriet Polen für nahezu ein halbes Jahrhundert unter das Joch der kommunistischen Diktatur. Kaum übertrieben scheint daher des polnischen Nobelpreisträgers Sienkiewicz' (Quo Vadis) Formulierung, dass die polnische Geschichte seit dem 18. Jahrhundert nahezu identisch sei "mit der Geschichte der an ihm verübten Verbrechen".

An der Entwicklung einer eigenständigen nationalen Kultur behindert, sahen sich Generationen von polnischen Intellektuellen und Künstlern genötigt, ihr Talent im Ausland zu entfalten. "Die größten Schöpfer der polnischen Kultur im 19. Jahrhundert waren Emigranten", und "auch im nächsten Jahrhundert entstanden die besten Werke extra muros Poloniae" (Tadeusz Nowakowski2). So ist es nicht verwunderlich, dass auch alle bedeutenden polnischen Komponisten des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihre künstlerische Prägung in der Fremde erhielten. Die wichtigste Rolle spielten dabei die kulturellen Zentren Deutschlands (respektive Preußens) und Frankreichs – Berlin und Paris. Später, in Zeiten der nationalsozialistischen Verfolgungen, spannten sich 'Fluchtlinien' weiter nach England und vor allem in die USA. Diesen Aspekten der polnischen Musikgeschichte wie auch den bis heute nicht beleuchteten Folgen der Shoah für das polnische Musikleben möchte EDA mit der in loser Folge geplanten Serie 'Poland abroad' nachspüren. Vol. 1 dokumentiert das Programm der Kammersymphonie Berlin im Rahmen des oben genannten Festivals am 26. Oktober 2004 im Berliner Konzerthaus, das wenige Wochen später im Studio 10 von DeutschlandRadio produziert wurde. Die hier vorgestellten vier Komponisten stehen paradigmatisch für die oben genannten Aspekte der polnischen Musikgeschichte, die im emphatischen Sinne auch eine europäische war und der auch aus diesem Grund heute unsere verstärkte Aufmerksamkeit gelten sollte.

 

Berlin – Paris

Ab 1850 war Berlin für etwa ein dreiviertel Jahrhundert das Mekka der musikalischen Elite Polens, wofür in erster Linie die hohe Qualität der Ausbildung an den verschiedenen öffentlichen und privaten Institutionen sowie die ungleich besseren Aufführungsmöglichkeiten für zeitgenössische Komponisten ausschlaggebend waren. Über mehrere Generationen hinweg bis 1933 vollzog sich ein regelrechtes 'Hin und zurück' zwischen Warschau und Berlin, aus einstigen Studenten wurden Lehrer, so dass sich auf dieser Achse ein ununterbrochener 'Stammbaum' von Moniuszko bis heute ziehen lässt. Stanisław Moniuszko, Schöpfer der polnischen Nationaloper Halka, studierte bei Carl Friedrich Rungenhagen an der Berliner Singakademie, seine ersten Werke wurden in Berlin verlegt. Nach Polen zurückgekehrt war er Lehrer u.a. von Zygmunt Noskowski, der seine Studien wiederum bei Friedrich Kiel vervollkommnete (Kiel lehrte zunächst am Sternschen Konservatorium, ab 1870 an der Berliner Hochschule). Bei Noskowski, dem 'spiritus rector' des polnischen Musiklebens am Ausgang des 19. Jahrhunderts, ging dann die musikalische Elite der folgenden Generation in die Lehre: Eugeniusz Morawski, Karol Syzmanowski, Ludomir Różycki, Apolinary Szeluto und Grzegorz Fitelberg. Erster wurde wegen antirussischer Agitation 1908 aus seiner Heimat verbannt und ging nach Paris ins Exil; 1930 zurückgekehrt übernahm er 1932 von Szymanowski die Leitung der Warschauer Musikhochschule. Letztere vier gründeten 1905 die 'Verlagsgesellschaft polnischer Komponisten'. Diese vor allem von Berlin aus im Zeichen des 'Jungen Polen' agierende Gruppe hatte das Ziel, die zeitgenössische Musik Polens für die Moderne zu öffnen, polnische Komponisten zu fördern und außerhalb Polens bekannt zu machen.

An Theodor Kullaks Berliner Akademie wiederum studierte nicht nur Ignacy Jan Paderewski, sondern auch Mieczysław Karłowicz3, der der Gruppe 'Junges Polen' als Freund und Mentor verbunden war. In Berlin erntete Karłowicz frühen Ruhm als einer der führenden polnischen Komponisten seiner Generation. Die Berliner Philharmoniker hoben sowohl die hier dokumentierte Serenade für Streicher op. 2 als auch sein bedeutendstes symphonisches Werk, die Uralten Lieder op. 10, aus der Taufe. Karłowiczs Serenade entstand noch während des Studiums bei Heinrich Urban, der seinen Einfluss geltend machte, um reife Arbeiten von Schülern von dem schon damals exquisiten Klangkörper zur Aufführung bringen zu lassen. Urban selbst dirigierte die Uraufführung der Serenade am 14. April 1897. Die polnische Erstaufführung fand am 29. Dezember desselben Jahres in einem Konzert der Warschauer Musikgesellschaft unter der Leitung Zygmunt Noskowskis statt. Dieses charmante, weit über das Niveau einer Schülerarbeit hinausreichende Werk, das heute zum Kernrepertoire polnischer Kammerorchester gehört, fügt sich stilistisch in die neoklassizistischen Tendenzen der Jahrhundertwende. Wie Mozart in seiner Serenade KV 525 (Eine kleine Nachtmusik) komponiert Karłowicz eine Romanze als 2. und ein Rondo als 4. Satz. Formale Bezüge finden sich aber auch zu den beiden, ebenfalls Mozart verpflichteten Streicher-Serenaden Tschaikowskys (C-Dur op. 48) und Dvořáks (E-Dur op. 22), in denen, wie bei Karłowicz, der zeitgenössische Walzer anstelle des Menuetts tritt. Im Gegensatz zum verbindlichen, 'offiziellen' Charakter der Sinfonie, mit ihrer formalen Strenge und ihrer Verpflichtung zur Stilhöhe, bietet die Serenade die Möglichkeit zum ungezwungeneren Musizieren, zum Divertissement (Divertimento und Serenade gehören gattungsgeschichtlich zur selben Familie der gehobenen 'leichten' Musik). Sie ist gleichsam Sinfonie im Diminutiv (zur Sinfonietta wird sie bei Laks), wobei, wie schon Mozarts Vater Leopold bemerkte, das Leichte nicht unbedingt auch leicht zu Komponieren ist. Die Serenade bietet aber auch Gelegenheit zum Privatissime der Romanze und erlaubt die populäreren Formen des Tanzes wie die Verwendung von Volksliedern oder volksliedhaften Melodiebildungen. Tschaikowsky zitiert im Finale seines op. 48 ein 'tema russo', Karłowicz scheint sowohl im tänzerischen Hauptthema als auch im melancholischen Mittelteil des Rondo Anleihen bei der polnischen Folklore genommen zu haben.

Karłowicz, der seine Kindheit auf Wanderjahren in Heidelberg, Prag und Dresden verbracht hatte (wo er die berühmte Kreuzschule besuchte), lebte zwischen 1895 und 1901 in Berlin. Nach Warschau zurückgekehrt, zog er sich bald aus dem offiziellen Musikleben zurück, das er als provinziell empfand, und siedelte nach Zakopane in die Hohe Tatra über, ein Ort, der sich später zu einer Art Künstlerkolonie und Enklave des Warschauer Kulturlebens entwickelte, und der auch in Szymanowskis Entwicklung eine bedeutende Rolle spielen sollte. Volle Meisterschaft erreichte Karłowicz in seinen sechs zwischen 1903 und 1909 entstandenen symphonischen Dichtungen, in denen er unter dem Einfluss von Wagner, Strauss und Skrjabin zu einem mystisch inspirierten, melancholisch-pessimistischen Personalstil fand. Gerade 32-jährig wurde der "erste polnische Symphoniker", als den ihn Alexandre Tansman apostrophierte4, bei einer Skitour von einer Lawine in den Tod gerissen. Die Instrumentierung seines letzten Orchesterwerkes, die Episode einer Maskerade, vollendete der Freund Grzegorz Fitelberg.

Grzegorz Fitelbergs Sohn Jerzy Fitelberg, am 20. Mai 1903 in Warschau geboren, gehörte zur Gruppe hochbegabter polnischer Komponisten und Dirigenten der nächsten Generation, die ihre Ausbildung in Franz Schrekers Wiener und Berliner Meisterklassen5 genossen. Neben Jerzy, der zwischen 1922 und 1926 bei Schreker in Berlin in die Lehre ging, waren dies Karol Rathaus, Ignace Strasfogel und Joseph Rosenstock. Sie alle teilten nach 1933 das Schicksal der Emigration, und allen vier gelang es, wenn auch unter schwierigen Bedingungen, ihre Karriere in den USA fortzusetzen. Sie teilten aber auch das Los, dass kein Land, dem sie aufgrund ihrer Herkunft und Biographie angehörten oder sich zugehörig fühlten (Polen, Österreich, Deutschland und die USA), sie in seine nationale Musikgeschichtsschreibung aufnahm6. Gegenüber Rathaus und Strasfogel, die versuchten, ihre Sprache in der Linie der spätromantischen und expressionistischen Tradition weiterzuentwickeln und die durchaus bewusst bei Schreker und Berg anknüpften, fühlte sich Jerzy Fitelberg eher Strawinsky und den 'neusachlichen' Tendenzen der 20er Jahre verpflichtet, ohne dabei der Ausdrucksästhetik gänzlich abzuschwören7. Wollte man gängige Klischees bemühen, dann fügen sich in seinem Stil slawisches Temperament zusammen mit französischem Esprit und handwerklicher Meisterschaft deutsch-österreichischer Provinienz. Ist letztere zweifelsohne ein Ergebnis der strengen Schule Schrekers, so ist die emotionale Verwurzelung in der polnischen Tradition (die bezeichnenderweise in den Werken des Exils am offensten zutage tritt) der frühen musikalischen Sozialisation zu verdanken: Jerzy erhielt seine Ausbildung zum Musiker zunächst in Warschau unter der Ägide des Vaters, spielte unter dessen Leitung sogar als Schlagzeuger im Orchester. Was an seiner Musik französisch wirkt, ihre Klarheit, Ironie und Ökonomie im Umgang mit den Mitteln, ist dagegen ein Produkt der Neigung und späteren Aneignung. Fitelberg knüpfte bereits Mitte der 20er Jahre Kontakte nach Frankreich, wo er ebenso regelmäßig aufgeführt wurde, wie in Deutschland. Bei dem Ernest Ansermet gewidmeten Konzert für Streichorchester handelt es sich um eine Bearbeitung seines 2. Streichquartetts, mit dem er 1928 den Preis der 'Association des jeunes musiciens polonais' (s.u.) in Paris gewann. Bereits mit den ersten Takten wird deutlich, welch radikale Spielart des 'Néoclassicisme' uns hier begegnet8. Mit ostinaten Spielfiguren und verschiedensten Topoi der Fugentechnik (Augmentation, Diminution, Scheineinsätze) bedient sich Fitelberg eines barockisierenden Vokabulars. Der 'Nähmaschineneffekt' sequenzierender Fortspinnungstechnik gerät hier allerdings nicht zum Selbstzweck, sondern dient einer raffinierten Matamorphosen- und Variantentechnik. Überall begegnet Komplementarität als stilbildendes Prinzip: in der Melodik erscheint sie als 'chromatische Rückwendung' (die sukzessive Ergänzung diatonischer Tonfolgen zum chromatischen Total), wie sie auch für zahlreiche andere, das Korsett der Schönbergschen Dodekaphonik zu vermeiden suchende Komponisten des 20. Jahrhunderts, vor allem aber für Bartók charakteristisch ist. Idealtypisch zeigt sie sich im ersten Thema des Kopfsatzes, das sich allerdings – genialer kompositorischer Einfall – erst in der Wiederholung des A-Teils offenbart (bei ca. 3:00 – dem ersten Satz liegt eine entwickelnde zweiteilige Form zugrunde nach dem Schema A–B–C / A'–B'–C'). Auf rhythmischer Ebene stehen stark synkopierte Abschnitte komplementär zur ansonsten durchgehenden 8tel-Pulsation. Geradezu minimalistische Wirkungen ergeben sich dabei in den patternartig verdichteten, repetitiven Abschnitten, die Fitelberg an formalen Einschnitten oder zu Steigerungszwecken einsetzt. Komplementäres Denken regiert auch die harmonische Ebene, auf der stark angereicherte, bisweilen scharf dissonierende polytonale Abschnitte mit solchen von diatonischer 'Klarheit' alternieren. Fitelberg erzielt dadurch auch Spannung auf formaler Ebene. Ein atemberaubender Moment etwa gelingt ihm am Ende des zweiten Satzes mit der 18-taktigen Überleitung zum Presto des 3. Satzes. Wie ein Noema steht hier das homorhythmisch skandierte zentrale Thema des Satzes (in 2. Violinen und Celli), eine 'weiße', vorzeichenlose Musik zwischen harmonisch und rhythmisch komplexen Abschnitten, ein Zur-Ruhe-Kommen, ein großes Atemholen vor dem Sturm.

Fitelbergs Musik steht, nicht weniger als die hier dokumentierte seiner Zeitgenossen Tansman und Laks, paradigmatisch für die nach dem 1. Weltkrieg einsetzende radikale Stilwende. Mit einer gesteigerten Linearität, mit Transparenz, Rhythmus und Tempo reagiert eine junge Generation auf die als veraltet, schwerfällig und korrumpiert empfundene musikalische Welt der Väter. Für die meisten polnischen Musiker dieser Generation fand dieser Prozess zunächst als Emanzipation von der als übermächtig empfundenen deutschen Tradition statt. Tatsächlich verlagerte sich der Schwerpunkt der musikalischen Migration nach der Gründung der Republik Polen unter dem Einfluss Szymanowskis ("Eine große Musik kann auch auf einer anderen Grundlage als im Kreis der deutschen 'Sensibilität' entstehen") nach Frankreich. Den Anfang machte Alexandre Tansman, der 1919 in die Seine-Metropole ging und sich dort mit dem Tschechen Bohuslav Martinů, dem Ungarn Tibor Harsanyi, dem Schweizer Konrad Beck und dem Russen Alexander Tscherepnin zur 'Ecole de Paris' zusammenschloss und zum Vorbild und Mentor einer ganzen Generation polnischer Komponisten wurde. Diese organisierte sich ab 1926 in der von Piotr Perkowski gegründeten 'Association des jeunes musiciens polonais', der 'Vereinigung junger polnischer Musiker', die schon durch die Namensgebung an die genau 20 Jahre zuvor von der Vätergeneration gegründete Bewegung des 'Jungen Polen' anknüpfte. Sie studierten bei Roussel (Perkowski), Dukas (Maklakiewicz), Vidal (Simon Laks) und Nadia Boulanger (Spisak, Szalowski, Szeligowski u.v.m.). Was diese Gruppe verband, war zunächst die Nähe zum französischen 'Néoclassicisme', dann aber auch, und nicht zuletzt unter dem Eindruck der Vernichtung der polnischen Kultur durch Hitler-Deutschland, die Beschäftigung mit der polnischen Musiktradition und deren Anverwandlung an den eigenen zeitgenössischen Stil gemäß den Ideen und Forderungen Szymanowskis. "Ich strebe nach der wunderbaren Synthese zwischen der polnischen Empfindsamkeit und der Clareté und dem Maß der Franzosen, die sich am schönsten bei Chopin zeigt", schrieb Alexandre Tansman 19279, und formulierte damit auch das Ideal dieser gesamten zweiten Generation des 'Jungen Polen'.

Als Alexandre Tansman 1930 sein Triptyque pour Quatuor ou Orchestre à cordes komponierte, stand er bereits auf der Höhe seines Ruhms als bedeutendster zeitgenössischer polnischer Komponist neben Szymanowski. 1919 hatte er den frisch ins Leben gerufenen nationalen polnischen Kompositionspreis unter spektakulären Umständen gewonnen – ihm wurde nicht nur der erste Preis zuerkannt, sondern auch der zweite und dritte für weitere, unter Pseudonym eingereichte Werke. Er hatte als humanistischer, polyglotter Geist schnell seinen Platz im internationalen Kulturleben gefunden, – die Liste der ihm in Freundschaft verbundenen Künstler liest sich wie ein 'who is who' nicht nur der musikalischen Größen seiner Zeit10. Bereits 1927 hatte er mit Koussevitzky und dem Boston Symphony Orchestra seine erste USA-Tournee absolviert (er selbst spielte dabei als Solist die Uraufführung seines 2. Klavierkonzerts), und erhielt Kompositionsaufträge der bedeutendsten Interpreten und Orchester. Das Triptyque entstand im Auftrag der berühmten amerikanischen Mäzenin Elisabeth Sprague Coolidge11 für die legendäre Kammermusikreihe der Library of Congress in Washington. Sprague Coolidge unterstützte eine Reihe von Komponisten in schwierigen Zeiten der Emigration durch Aufträge und Preise, darunter Bartók, Schönberg und Britten, aber auch Tansman und Jerzy Fitelberg, dessen 4. Streichquartett 1936 mit dem nach ihr benannten Preis ausgezeichnet wurde. Tansmans Triptyque wurde am 26. Oktober 1931 im Pariser Palais Royale unter der Leitung des Komponisten durch das Streicherensemble der Pariser Kammermusikvereinigung uraufgeführt. Die New Yorker Philharmonic Society spielte die US-amerikanische Erstaufführung am 23. Dezember 1931 in der Carnegie Hall unter Vladimir Golschman. Dieser nahm das Werk mit den Streichern des Saint Louis Symphonie Orchestra 1943 für die Schallplatte auf.

So offensichtlich wie einige oberflächliche Ähnlichkeiten, etwa der dreistätzige Sonatentypus (schnell–langsam–schnell), sind auch die stilistischen Unterschiede zwischen Fitelbergs Konzert für Streichorchester und Tansmans Triptyque. Die für Tansman typische Chromatik dominiert Haupt- und Nebenstimmen in allen Sätzen und sorgt für permanente, nervöse Spannung. Da wo sie einmal nicht in gerader Linie, sondern nach dem Prinzip der 'chromatischen Rückwendung' praktiziert wird, führt sie fast zwangsläufig zur B-A-C-H Hommage (etwa im ersten Satz, bei 1:43). Tritt bei Fitelberg die Harmonik gegenüber der linearen Organisation eher zurück, bietet sie bei Tansman ein echtes Fundament und übernimmt strukturierende Funktion. Der Eindruck von harmonischer Flächigkeit entsteht durch die Dominanz von Orgelpunkten, – auch dies ein typisch neobarockes Moment. Auf rhythmischer Ebene besticht das Spiel mit permanenten Akzentverschiebungen gegenüber den Taktschwerpunkten und über die Taktgrenzen hinaus, was der Musik in den schnellen Sätzen einen getriebenen und aufgewühlten Charakter verleiht. Diese Unruhe kontrastiert Tansman im langsamen Satz durch ein ergreifend schlichtes, auch in der kontrapunktischen Faktur liedhaftes Melos. Im Presto-Finale wird dieser Tempo-Kontrast ins Extrem gesteigert. Das Andante cantabile, das den Satz unerwartet zur Ruhe bringt und ihn, nach einem nochmaligen Anlauf des Presto-Teils, schließlich auch beendet, mutet wie eine Preghiera an, ein Gebet in Tönen. Sollte mit dem Titel Triptychon – der Begriffe bezeichnet in der bildenden Kunst gemeinhin ein dreiteiliges Altarbild – doch mehr gemeint sein als nur ein Musikstück in drei Sätzen?

 

Emigration und Shoa

Flucht und Exil markierten die Lebenswege zahlreicher polnischer Komponisten jüdischer Abstammung12: Mieczyslaw Weinberg etwa floh nach Sowjetrußland und wurde dort von Schostakowitsch gefördert, Czesław Marek überlebte in der Schweiz. Die meisten verdankten ihr Überleben aber Amerikas rettender Hand, wie die genannten polnischen Schüler Schrekers, aber auch Paul Kletzki, der sich einen Namen als herausragender Mahler-Interpret machte. Alexandre Tansman, der nach der Okkupation mit seiner Familie in Frankreichs festsaß, erhielt ein Visum für die USA dank einer Petition, die von Chaplin, Toscannini, Haifetz, Ormandy, Koussevitzky und weiteren befreundeten Künstlern von Weltrang unterzeichnet wurde14.

Vielen jüdischen Künstlern gelang die Flucht ins Exil allerdings nicht. Und so findet auch die Shoah, für die Auschwitz, das polnische Oświęcim, so oft als Synonym steht, seinen tragischen Reflex in der polnischen Musikgeschichte. Für Joachim Mendelson etwa, der in Berlin studiert hatte, bevor er sich den "Jeunes musiciens polonais" in Paris anschloss, wurde die Rückkehr nach Warschau, wo er 1935 eine Professur für Komposition an der Hochschule übernahm, zum Verhängnis. Auch der Schönberg-Schüler Józef Koffler, der in Lwów (Lemberg) eine Professur für atonale Harmonielehre und Komposition bekleidete, überlebte nicht. Szymon (später Simon) Laks verdankte dagegen sein Überleben der Musik, wie auch Władysław Szpilman, dessen Überlebensgeschichte im Warschau unter deutscher Okkupation durch seine Erinnerungen (Der Pianist, durch Roman Polanski verfilmt) weltbekannt wurde14.

Simon Laks, 1901 in Warschau geboren, studierte zunächst Mathematik in Vilnius, bevor er sich ab 1921 ganz der Musik widmete. Nach Studien am Warschauer Konservatorium siedelte er 1926 über Wien nach Paris über, wo er sich am dortigen Konservatorium bei Paul Vidal (Komposition) und Henri Rabaud (Orchesterleitung) vervollkomnete. In der "Association des jeunes compositeurs polonais" übernahm er von Anfang an administrative und organisatorische Aufgaben. Bereits die Werke der späten 20er Jahre wurden ausgezeichnet (wie der Blues symphonique) und fanden Eingang ins Repertoire namhafter Musiker. Das Duo Maurice Maréchal/Vlado Perlmutter etwa hob seine exquisite Cellosonate aus der Taufe, das Quatuor Roth nahm sein 2. Streichquartett ins Repertoire. Eine Reihe von Werken, darunter herausragende Liedkompositionen, die Laks' Ruf als einer der führenden polnischen Liedkomponisten begründeten, erschienen bei dem namhaften französischen Verlag Lemoine. Die Okkupation Frankreichs durch Nazi-Deutschland bereitete dieser Karriere ein jähes Ende. Simon Laks wurde 1941 aufgrund seiner jüdischen Abstammung in Paris festgenommen, zunächst im Lager Pithiviers bei Orléans interniert und im Juli 1942 nach Auschwitz II-Birkenau deportiert. Laks überlebte Auschwitz (gegen Ende des Krieges auch Dachau und mehrere Arbeitslager), weil er aufgrund seiner vielfachen musikalischen Begabungen und dank der Hilfe eines Mithäftlings zum Lagerorchester eingeteilt wurde15. Nach dem Krieg setzte Laks seine kompositorische Tätigkeit zunächst fort, gewann weitere Preise, etwa beim Chopin-Wettbewerb 1949 für seine Klavierballade Hommage à Chopin und 1965 den Grand Prix de la Reine Elisabeth in Brüssel für sein 4. Streichquartett, verstummte dann aber als Komponist zunehmend. Dies zum einen aus dem Unwillen, sich den herrschenden avantgardistischen Strömungen anzuschließen, schließlich aber auch in der schockartigen Erfahrung des 6-Tage Krieges 1967. Laks widmete sich von da an hauptsächlich der schrifstellerischen Tätigkeit. Seiner Feder verdanken sich eine Reihe von Büchern, deren Themen von der Kulturkritik über linguistische Fragen bis hin zur Technik der Untertitelung von Filmen reichen. Simon Laks, der eng mit Alexandre Tansman befreundet war, starb 1983 in Paris16.

So problematisch der Begriff des 'Néoclassicisme' auf die Musik Tansmans und Fitelbergs angewendet erscheint, so sinnvoll ist er bei Laks, zumindest in Hinsicht auf seine 1936 entstandene Sinfonietta für Sreicher17. Am klassischen Serenaden-Modell orientiert (hier ist der 2. Satz mit der Gitarren-Imitation der Streicher-Pizzicati eine Serenade), bietet das heitere, unbeschwerte Werk ein Kompendium neoklassizistischen und neobarocken Vokabulars. Dies allerdings in stark ironischer Brechung – eines der Charakteristika von Laks' Personalstil – denn die alten Modelle erscheinen in humorvoller Maskerade. Durch eine nur scheinbar intakte Tonalität und eine nur scheinbar konventionelle Rhythmik und Metrik wird der Hörer ständig aufs Glatteis geführt, denn Laks spielt raffiniert mit den gängigen Hörerwartungen. Nicht, um sie ad absurdum zu führen, sondern eher, damit wir uns ihrer bewusst werden. Hier komponiert ein feinsinniger Rhetoriker, der um die ästhetische Qualität eines referentiellen Hörens weiß. Laks Musik ist frei von Ideologien und Weltanschauungen, und sie ist es auch nach den Erfahrungen des absoluten Grauens in den deutschen Todeslagern geblieben. Das erste Werk, das er nach der Rückkehr nach der Befreiung im Herbst 1945 komponierte, war sein 3. Streichquartett "über polnische Motive" – die ließen sich nicht vernichten.

 

Danksagung

 
Neben den Verantwortlichen des Konzerthauses Berlin, DeutschlandRadio, der Rundfunk Orchester und Chöre GmbH und der Botschaft der Republik Polen in Berlin sei allen Förderern und Mitstreitern, die das Festival "Polen im Herzen", und damit auch vorliegende CD möglich machten, an dieser Stelle herzlich gedankt: Der ruhrgas AG, der Opel AG, der GEMA-Stiftung, der Botschaft der Republik Polen in Berlin, Jürgen Bruns, Antoni Buchner, Andrzej Byrt, Rainer Cadenbach, Catherine Fourcassié, Marcin Gmys, Maria Grätzel, Andreas Hitscher, Heike Hoffmann, Gérald Hugon, Stefan Keym, Stefan Lang, André Laks, Kolja Lessing, Krzysztof Meyer, Piotr Moss, Domink Rahmer, Jan Rydel, Stephan Steinlein, Frank Walter Steinmeier, Andrzej Szpilman, Marianne und Mireille Tansman, Ralph Tarraf, Eva Wuthenow und Frank Immo Zichner. Ein besonderer Dank gilt auch dem Berliner Verein 'musica reanimata', dessen unermüdlichem Einsatz für die sogenannte "Entartete Musik" immer wieder wichtige Begegnungen zu verdanken sind, wie in diesem Falle mit André Laks und der Musik seines Vaters Simon Laks.

____________________

1 Bacewicz, Chopin, J. Fitelberg, Karłowicz, Koffler, Laks, Mendelson, Moniuszko, Noskowski, Panufnik, Rathaus, Szpilman, Szymanowski, Stojowski, Tansman.

2 Zitiert nach dem Band Polen im Exil. Eine Anthologie, herausgegeben von Carl Dedecius in der Reihe Polnische Bibliothek, Frankfurt am Main 1988.

3 Beide waren Schüler Heinrich Urbans, der dort seit 1881 lehrte. Theodor Kullak, Lehrer u.a. auch von Moritz Moszkowski, war polnischer Herkunft. Ergründete mit J. Stern und A.B. Marx 1850 das Sternsche Konservatorium in Berlin, 1855 daselbst die Neue Akademie der Tonkunst.

4 Zitiert nach der in diesem Jahr bei dem französischen Verlag l’Harmattan erscheinenden Ausgabe der Schriften Alexandre Tansmans, S. 215ff.

5 Ausführliche biographische Angaben zu Fitelberg, Rathaus und Strasfogel finden sich in dem Band Franz Schrekers Schüler in Berlin. Schriften aus dem Archiv der Universität der Künste, Bd. 8, Berlin 2005.

6 Eine alternative Musikgeschichte, die dem Phänomen der Migrationen und des Kulturtransfers Rechnung trägt, ist noch nicht geschrieben worden.

7 Die Beschäftigung mit Schrekers Schülern in diesem Kontext führt zu Überschneidungen mit anderen Label-Schwerpunkten und Projekten. EDA 019 etwa dokumentiert in Ersteinspielungen die frühen Klaviersonaten von Karol Rathaus und Jerzy Fitelberg (Kolja Lessing, Klavier).

8 Auf die Problematik dieses Stilbegriffs kann hier nicht eingegangen werden, siehe dazu den 1996 von der Paul Sacher Stiftung herausgegebenen Sammelband Die klassizistische Moderne in der Musik des 20. Jahrhunderts. Fitelbergs ironische Haltung gegenüber einem unreflektierten Neoklassizismus wird offensichtlich etwa in seiner Orchestersuite nach André Gides Der schlechtgefesselte Prometheus – eine Parodie auf Aischylos’ Tragödie Der gefesselte Prometheus (die wiederum von Carl Orff veropert wurde).

9 Zitiert nach dem sehr lohnenswerten, im Jahr 2000 erschienenen Kolloquiumsbericht der Universität Paris-Sorbonne. Dieser Aufsatzband stellt bis heute auch die einzige umfangreichere Quelle zu Leben und Werk Tansmans dar für Leser, die der polnischen Sprache nicht mächtig sind.

10 Ravel, Roussel, Honegger, Milhaud, Stravinsky (dessen Biographie Tansman 1947 schrieb), Bartók, Prokofiev, Gershwin, Dallapiccola, Koussevitzky, Golschmann (Dirigent der Ballets Russes), Monteux, Mitropoulos, Toscannini, Rubinstein, Segovia, Jankélévitch, Gide, Zweig u.v.m.

11 Elisabeth Sprague Coolidge finanzierte 1925 den Bau des Konzertsaals der Library of Congress.

12 Wie eine prophetische Vorausahnung des Kommenden mutet Karol Rathaus’ 1931 an der Berliner Staatsoper durch Erich Kleiber uraufgeführte Oper Fremde Erde an, in der das Thema Exil erstmals auf der Opernbühne behandelt wurde.

13 Amerika gewährte nicht nur Generationen von polnischen Flüchtlingen seit dem 19. Jahrhundert Asyl. Die USA lenkten auch Polens Geschicke im entscheidenden Augenblick der Wiedererlangung seiner staatlichen Souveränität 1918. Erstaunlicherweise fiel einem Musiker dabei eine entscheidende Rolle zu. Mit dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg erhielt die Forderung nach Polens nationaler Unabhängigkeit zum ersten Mal seit 1795 wieder eine reale politische Chance. In Woodrow Wilsons berühmter 14 Punkte Erklärung, welche die Grundlage des Versailler Vertrages bilden sollte, wurde diese Forderung zur politischen Bedingung gemacht, und es war Ignacy Jan Paderewskis legendäres "Memorandum über die polnische Frage", welche in Punkt 13 von Wilsons Erklärung ihren Niederschlag fand. Die Neugründung Polens 1918 war in entscheidendem Maße dem unermüdlichem Einsatz dieses Pianisten, Komponisten und dann ersten polnischen Ministerpräsidenten zu verdanken. Ihm gelang aufgrund seiner außerordentlichen Popularität als Künstler und als Mensch sowie dank seines diplomatischen Geschicks eine herkulische Lobby-Arbeit zugunsten der unterdrückten Heimat.

14 EDA 28 dokumentiert neben Liedern von Ravel, Weissgall und Ullmann auch die Huit chants populaires juifs und die Elégie pour les villages juifs von Simon Laks (Valérie Suty, Sopran und Vladmir Stoupel, Klavier). W. Szpilmans Suite Das Leben der Maschinen gab den Titel für eine CD mit Klavierwerken von Antheil; Dukas, Mossolov, Nancarrow und Szpilman (EDA 29) ebenfalls mit Vladmir Stoupel.

15 Laks berichtet über sein Überleben in Auschwitz als Musiker, Arrangeur und später Leiter des Lagerorchesters in seinem Buch Musique d’un autre monde (Paris 1948). Weitere Ausgaben: Gry oswiecimskie, London 1979, 2. Auflage 1998; Music of Another World, Evanston 1989; Jeux Auschwitziens, Paris 1991; Musik in Auschwitz, Düsseldorf 1997; Mélodies d’Auschwitz, Paris 2004. Ähnlich wie Władysław Szpilman überlebte auch Laks "durch eine unendliche Reihe von Wundern". Der für das Leben im 'Vorzeigelager' Theresienstadt durchaus gültige Behauptung, die Musik hätte den Häftlingen geholfen, ihre menschliche Würde zu bewahren, hat Simon Laks für die Situation in Auschwitz widersprochen. Dort musste die Lagerkapelle zum morgendlichen Ausrücken und abendlichen Einzug der zum Arbeitsdienst eingeteilten Häftlinge aufspielen: "Die Musik hielt den Geist, oder besser den Körper, aufrecht, aber nur bei den Musikern, denn die brauchten nicht zu schwerer Arbeit ausrücken und konnten sich besser ernähren". Nie habe er einen Häftling getroffen, "dem unsere Musik Mut machte, ihn zum Überleben ermutigte".

16 Weitere Informationen zu Leben und Werk von Simon Laks finden sich auf der Website www.boosey.com

17 Die Uraufführungsdaten der Sinfonietta sind nicht dokumentiert. Die Oistrach-Kammerphilharmonie spielte die deutsche Erstaufführung unter der Leitung von Ulrich Grosser am 21. September 2003 im Steinfurter Bagno-Saal.

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