EDA 15: Brundibár – Eine Oper für Kinder / Feature von Hannelore Brenner-Wonschick: Brundibár und die Kinder von Theresienstadt
II: Brundibár und die Kinder von Theresienstadt – Feature von Hannelore Wonschick
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EDA 15: Brundibár – Eine Oper für Kinder / Feature von Hannelore Brenner-Wonschick: Brundibár und die Kinder von Theresienstadt
I: Hans Krása – Brundibár – Eine Oper für Kinder (1938/43)

02 Jetzt liebe Leute, aufgepasst! EDA 15: Brundibár – Eine Oper für Kinder / Feature von Hannelore Brenner-Wonschick: Brundibár und die Kinder von Theresienstadt
I: Hans Krása – Brundibár – Eine Oper für Kinder (1938/43)
02 Jetzt liebe Leute, aufgepasst!

14 Guten Morgen, liebe Hörer! EDA 15: Brundibár – Eine Oper für Kinder / Feature von Hannelore Brenner-Wonschick: Brundibár und die Kinder von Theresienstadt
I: Hans Krása – Brundibár – Eine Oper für Kinder (1938/43)
14 Guten Morgen, liebe Hörer!

16 Finale: Ihr müsst auf Freundschaft bau'n EDA 15: Brundibár – Eine Oper für Kinder / Feature von Hannelore Brenner-Wonschick: Brundibár und die Kinder von Theresienstadt
I: Hans Krása – Brundibár – Eine Oper für Kinder (1938/43)
16 Finale: Ihr müsst auf Freundschaft bau'n

II: Brundibár und die Kinder von Theresienstadt – Feature von Hannelore Wonschick

01 Beginn EDA 15: Brundibár – Eine Oper für Kinder / Feature von Hannelore Brenner-Wonschick: Brundibár und die Kinder von Theresienstadt
II: Brundibár und die Kinder von Theresienstadt – Feature von Hannelore Wonschick
01 Beginn

Manch einer, der diese CD in Händen hält, wird sie schon einmal auf der Bühne gesehen haben: die kleine Oper über zwei Geschwister, die die Kraft der Gemeinschaft entdecken und den bösen Leierkastenmann Brundibár besiegen. Aus Prag stammt diese Musik, komponiert 1938 von dem tschechischen Komponisten Hans Krása (geboren 1899) nach einem Libretto von Adolf Hoffmeister.

Eigentlich wollten die beiden Freunde mit diesem Stück an einem Kinderoper-Wettbewerb teilnehmen. Doch es kam anders. Ihr Heimatland Tschechoslowakei wurde unter den Nationalsozialisten von deutschen Truppen besetzt – und der Preis für die schönste Kinderoper nie vergeben. Eine einzige, ganz im Geheimen geplante Aufführung gab es doch, im Prager jüdischen Waisenhaus im Herbst 1941. Wenig später wurden die jüdischen Mitbürger Prags – darunter auch der Komponist – wie Millionen anderer Juden aus ganz Europa in Konzentrationslager verschleppt.

In einem solchen Lager, Theresienstadt, nicht weit von Prag, erlebte die Oper ihre eigentliche Uraufführung. Alle haben sie geliebt: die Kinder, die sie über fünfzig Mal aufgeführt haben und ihre begeisterten Zuhörer. Jeder im Lager kannte ihre Melodien, und diejenigen, die die schreckliche Zeit überstanden haben und heute noch am Leben sind, singen sie immer noch – wenn ihnen danach zumute ist.

Mit der vorliegenden Edition verbinden wir zwei Anliegen: Zum einen ist es höchste Zeit, dass Kinder von heute Brundibár nach Hause holen können, gesungen in einer Sprache, die sie verstehen: zum Zuhören, zum Nachdenken, zum Weitersingen. Wäre es nicht schön, wenn Brundibárs Melodien nicht mit den letzten Überlebenden verklingen würden? Wäre es nicht schön, wenn die Kinder von heute mit Brundibár leben würden, und dann wieder ihre eigenen Kinder... ? Wäre es nicht schön, wenn wir morgen auf der Straße einem Mädchen oder einem Jungen begegneten, der gerade das "Wiegenlied" oder das "Lied von der Gans" singt? Ja, es wäre wunderschön! Dann könnten wir gewiss sein, dass Brundibár weiterlebt, und damit auch die Erinnerung an seine Schöpfer und an die vielen Kinder, die ihn vor über fünfzig Jahren so geliebt haben.

Zum anderen möchten wir mit Hannelore Wonschicks Feature Brundibár und die Kinder von Theresienstadt denjenigen Gehör verschaffen, die damals dabei waren und die einzigen sind, die uns wirklich erzählen können. Wie war das damals? Wie war ein Kinderleben im Lager – mit Brundibár? Was hat es bedeutet, gerade dieses Stück aufzuführen, diese kleine und doch so wunderbar große Geschichte von Alleinsein und Zusammengehören? Fragen, die früher oder später jeder stellt, der sich mit Brundibár beschäftigt, und auf die alle so gern eine Antwort haben möchten. Erleben können wir es nicht mehr, aber vielleicht für einen Augenblick die Kraft spüren, die jene Menschen-Kinder noch in den dunkelsten Momenten weitermachen ließ, voller Hoffnung auf ein Ende des Schreckens und voller Sehnsucht nach einem Leben in Freiheit und Würde.

Nur ganz wenige von ihnen haben überlebt. Wir widmen diese Arbeit den Kindern von Theresienstadt und den Kindern von heute. Tragt sie weiter, unsere kleine Oper, Eure kleine Oper!

Tilman Kannegießer (EDA)

 

Zum Feature "Brundibár und die Kinder von Theresienstadt"

Theresienstadt. Ende Juni 1944. – Das Konzentrationslager sei "ein Endlager, normalerweise wird niemand, der einmal ins Ghetto gekommen ist, anderswohin geschickt", gab Maurice Rossel vom Internationalen Roten Kreuz nach seinem Besuch des "Musterghettos " am 23. Juni 1944 zu Protokoll. Er hatte zu seinem ungeheuer großen Erstaunen eine Stadt vorgefunden, "die ein fast normales Leben lebt." Sogar Konzerte, Theater und Opern wurden aufgeführt. Neben Carmen, Tosca, Die Zauberflöte auch "eine Kinderoper, die in Tschechisch von Kindern aus dem Protektorat gesungen wird und von einem Bewohner des Ghettos komponiert wurde." Einen Monat später beginnt der Schauspieler und Regisseur Kurt Gerron, auch ein Ghetto-Häftling, auf Befehl der SS mit den Dreharbeiten zu dem "Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet". Bekannt geworden ist dieser perfide Propagandastreifen zur Täuschung der Weltöffentlichkeit unter dem ironischen Titel: "Der Führer schenkt den Juden eine Stadt". Er enthält eine Szene aus Brundibár – das Schlusslied "Brundibár porazen – wir haben Brundibár besiegt!" Es ist das letzte Zeugnis der Kinder von Theresienstadt – ein Dokument ihres Lebenswillens, ihrer Hoffnung, ihres Widerstandsgeistes. Kurz darauf reißt die Welle der großen Herbsttransporte Darsteller und Zuschauer aus-einander, fort Richtung Auschwitz, wo die meisten, unter ihnen auch der Komponist Hans Krása, in den Gaskammern ermordet werden.

Das ist der historische Hintergrund einer der schönsten Kinderopern, die in diesem Jahrhundert entstanden sind. Die tragische Aufführungsgeschichte vermögen jene, die davon gehört haben, nicht mehr wegzudenken – untrennbar bleibt sie mit dem Schicksal dieser Oper und ihrer ersten Darsteller und Zuschauer im Ghetto Theresienstadt verbunden. Und doch beruht die Ausstrahlung von Brundibár, damals wie heute, ausschließlich auf der ihr eigenen künstlerischen Kraft. Nur deshalb konnte sie unter so extremen Lebensumständen wie im KZ Theresienstadt ihre größte Wirkung entfalten. Und nur deshalb lieben auch heute immer mehr Kinder diese Oper und beginnen, kaum dass sie mit der Musik in Berührung gekommen sind, ihre Melodien und Lieder nachzusingen.

Als ich vor einigen Jahren damit begann, der Geschichte hinter der Geschichte von Brundibár nachzuspüren, machte ich mich auf zweierlei gefasst: Dass es schwer, bedrückend werden könnte für die Gesprächspartner – ebenso für mich –, an diesen Abschnitt ihres Lebens zu erinnern. Und dass es durchaus sein könnte, dass mir jemand die Auskunft verweigern würde. Letzteres war niemals der Fall. Und dass es bei der Trauer, dem Schrecken allein nicht blieb, den ich durch meine Fragen wachrief – dies lag vor allem an Brundibár.

Ich erinnere mich noch genau, wie Leopold Lowy (USA) in traurigem, stockendem Ton meine Fragen beantwortete, und dies nur deshalb, weil er sich angesichts der wachsenden Kreise von Holocaust-Leugnern dazu verpflichtet fühlte, über das Geschehene Zeugnis abzulegen. Wie er von Wunden, Ängsten sprach, die bis heute geblieben sind, von Alpträumen, die ihn noch heute verfolgen. Und dann auf einmal stand meine Frage nach Brundibár im Raum. Da leuchteten seine Augen auf, seine Stimme wechselte unvermittelt die Tonlage und er sagte, fast heiter: "Brundibár! It was a light for the kids, even for the grown-ups. It was tremendous." ("Brundibár! Das war ein Lichtblick für die Kinder, sogar für die Erwachsenen. Es war enorm.")

Ein "Licht in der Dunkelheit" – diese Metapher sollte ich während meiner folgenden Interviews immer wieder hören. Die Pianistin Alice Sommer, deren 6-jähriger Sohn Raphael im Ghetto oft den Spatz spielte, drückte den gleichen Sinngehalt in ihren Worten aus: "Brundibár hat den Kindern das Vertrauen gegeben. Die Welt kann auch schön sein... Die Welt unter Hitler war fürchterlich schwer. Aber die Welt kann schön sein. Wenn die Kinder auf dem Dachboden Brundibár gespielt haben, war das Leben für sie schön."

Das Stichwort Brundibár löste bei vielen der einstigen Ghetto-Häftlinge einen "stream of consciousness" aus, der einen Pfad durch das dunkle, undurchdringliche Dickicht qualvollen Erinnerns zu bahnen vermochte. Zuweilen musste ich nach solchen Gesprächen an die Verse von Eichendorff denken: " Schläft ein Lied in allen Dingen, die da träumen fort und fort. Und die Welt hebt an zu singen, triffst du nur das Zauberwort." Brundibár, so scheint es mir, ist ein Zauberwort. Eine Zauberformel, die mitten ins Herz trifft und die Seele zum Schwingen bringt. Die unvermittelt Vergangenheit heraufbeschwört. Eine Vergangenheit freilich, die keinen romantischen Traum birgt, sondern einen Alptraum. Aber inmitten des Entsetzens eben auch dies – ein Stück Menschlichkeit, Kultur, einen Hoffnungsschimmer, ein Licht – Brundibár.

Als Hans Krása und sein Freund, der Autor und Maler Adolf Hoffmeister im Prag der Vorkriegsjahre 1938/39 dieses musikalische Werk schufen, wollten sie der jüngeren Generation und mithin allen nachgeborenen Kindern Mut machen, sich gegen das Böse zur Wehr zu setzen. Sich nicht unterkriegen zu lassen. Sie konnten, bei allem düsteren Vorgefühl des Kommenden, nicht wissen, welche Rolle ihre Oper bald darauf im zynischen Kalkül der Nazis spielen würde und wie sehr die Kinder des Ghettos wenige Jahre später diese Oper lieben – und brauchen würden. Dass sie für die meisten dieser Kinder, wie es Kurt J. Kotouc in Prag ausdrückte: "die letzte große Freude ihres kurzen Lebens " werden sollte. Und wie hätte Hans Krása damals ahnen können, dass er in einem Konzentrationslager seinen größten und letzten Erfolg erleben würde, dass es vor allem dieses kleine Werk sein würde, das ihn für die Nachwelt unsterblich macht.

"In Theresienstadt kannte ein jeder Brundibár", schrieb Mitte der 60er Jahre Rudolf Franek (Freudenfeld), der die Proben und Aufführungen der Oper im Ghetto geleitet hatte. "Alle Kinder sangen die Melodien daraus, jeder sah es sich mehrere Male an. Ich weiß nicht, wie viele überlebt haben. Aber man kann es überall in der Welt versuchen. Man pfeife bloß irgendein Motiv aus unserer Oper, und man wird sie finden. Sie werden sich bestimmt melden und zu erkennen geben. "

In Amerika, Israel, Prag, Brünn und Wien hörte ich in den letzten drei Jahren Melodien aus Brundibár. Das Lied der Katze von Ela Weissberger, die Lieder von Aninka von Greta Klingsberg oder Walzertakte von Paul Sandfort. Doch wenn sie einmal gemeinsam ein Lied anstimmen, die überlebenden Kinder von Theresienstadt, dann ist es vor allem das Wiegenlied und – das Finale. Denn in diesem Lied haben sie vor über fünfzig Jahren den Sieg des Guten über das Böse in der Vorstellung vorweggenommen. Und diese Vision tragen sie weiter bis in unsere Tage.

Hannelore Wonschick

 

Die Handlung

Aninka und Pepíček gehen auf den Markt, um für ihre kranke Mutter Milch zu holen, wie der Arzt ihnen geraten hat. Ein buntes Treiben herrscht auf dem Platz. Lautstark bieten die Händler ihre Waren an. Die Geschwister bitten den Milchmann, ihnen etwas Milch umsonst zu geben, denn sie haben kein Geld. Aber der denkt nicht daran. Da bemerken Aninka und Pepíček, dass die Leute dem Leierkastenmann Brundibár lauter Münzen in den Hut werfen. Das können wir auch, denken sie, und singen gleich ihr Lieblingslied. Aber niemand hört ihnen zu. Im Gegenteil: Als sie versuchen, auf sich aufmerksam zu machen, werden sie von Brundibár und den anderen Erwachsenen als Störenfriede vom Marktplatz verjagt. Schon bricht die Dämmerung herein. Die beiden sind ratlos. Wie sollen sie den bösen Leierkastenmann übertönen mit ihren kleinen Stimmen? Viele Kinder müssten singen, dann könnte es gelingen. Wie gerufen sind Katze, Hund und Spatz zur Stelle und versprechen ihnen Hilfe. Am nächsten Morgen trommeln die Tiere alle Kinder der Stadt zusammen und bilden einen großen Chor. Der Plan geht auf: Ihr Lied übertönt den Leierkasten, die Leute auf dem Marktplatz wenden sich ihnen zu, und bald ist Pepíčeks Mütze voller Geld. Da springt Brundibár hervor, reißt ihm die Mütze aus der Hand und versucht, mit dem Geld davonzulaufen. Aber allein gegen alle hat er keine Chance. Die Kinder feiern ihren Sieg und stimmen ein in den Chor der Freundschaft und des Zueinanderstehens.

Frank Harders-Wuthenow & Tilman Kannegießer

 

Zum Brundibár-Projekt

Das Projekt „Brundibár“ in Stuttgart kam auf Anregung der Jeunesses Musicales Deutschland zustande. Insgesamt wurden im Januar 1998 fünf Vorstellungen im Theaterhaus und im Kleinen Haus des Württembergischen Staatstheaters gegeben. In der Regie von Andrej Kritenko und seiner Assistentin Cornelia Sieler sangen und spielten die Mädchenkantorei St. Eberhard (Ltg. Martin Dücker), das collegium iuvenum, Knabenchor Stuttgart, (Ltg. Friedemann Keck, Chorassistent Tilman Michael, Chororganisation Dorothee Irion) und ein Orchester. Der „Circus Calibastra“ der Freien Waldorfschule Vaihingen ergänzte die Szene mit artistischen Einlagen. Das Theaterhaus (Projektleiterin Doris Schopf) stellte die Räume, fertigte das Bühnenbild und besorgte Kostüme und Requisiten.

Die Begegnung mit 2 Zeitzeugen, Eva Merovä und Paul Aron Sandfort, wurde für alle Beteiligten zu einem unvergesslichen Erlebnis. Durch sie bekam Brundibár eine Aktualität, die betroffen machte und – hoffentlich – einen Beitrag „wider das Vergessen“ bei den Mitwirkenden und Zuschauern zu leisten vermochte.

Die Kinderoper noch im selben Jahr im Hörfunkstudio des Südwestrundfunks Stuttgart aufzunehmen, war eine Idee des SWR-Redakteurs Guido Barth-Purrmann, dem alle Partner zu herzlichem Dank verpflichtet sind.

Friedemann Keck

 

Weiterführende Hinweise

Seit 1992, der ersten Verlagsveröffentlichung in Prag und Berlin, ist Brundibár mehr als 100 mal in vielen Ländern Europas, den USA und Südamerikas mit größtem Erfolg aufgeführt worden. Einen wesentlichen Anteil am weltweiten Interesse an dieser Oper hat das Engagement der Jeunesses Musicales Internationales, die Brundibár ein nahezu weltumspannendes Projekt gewidmet haben. Als Informationsmaterial hat JMI eine CD/CD-ROM veröffentlicht, die speziell für Interessenten an einer Aufführung der Kinderoper konzipiert wurde. Sie enthält eine Musik-CD, Hintergrundinformationen zu Leben und Werk Hans Krásas, Geleitworte von Zeitzeugen, Hinweise zu Werkgeschichte und Aufführungspraxis sowie Notenbeispiele. Kontakt: Jeunesses Musicales Deutschland, Marktplatz 12, 97990 Weikersheim. Tel. 07934-280, Fax 07934-8526.

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