EDA 40: en hommage Joachim Mendelson
IV: Chamber Symphony (1938)
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EDA 40: en hommage Joachim Mendelson
I: Symphonie no. 2 (1939)

1 Moderato ma con spirito EDA 40: en hommage Joachim Mendelson
I: Symphonie no. 2 (1939)
1 Moderato ma con spirito

2 Larghetto EDA 40: en hommage Joachim Mendelson
I: Symphonie no. 2 (1939)
2 Larghetto

3 Allegro con brio (Scherzo) EDA 40: en hommage Joachim Mendelson
I: Symphonie no. 2 (1939)
3 Allegro con brio (Scherzo)

II: Quintet for oboe, violin, viola, cello and piano (1939)

4 Allegro EDA 40: en hommage Joachim Mendelson
II: Quintet for oboe, violin, viola, cello and piano (1939)
4 Allegro

5 Molto lento espressivo EDA 40: en hommage Joachim Mendelson
II: Quintet for oboe, violin, viola, cello and piano (1939)
5 Molto lento espressivo

6 Allegro con brio EDA 40: en hommage Joachim Mendelson
II: Quintet for oboe, violin, viola, cello and piano (1939)
6 Allegro con brio

III: Sonata for violin and piano (1937)

7 Moderato EDA 40: en hommage Joachim Mendelson
III: Sonata for violin and piano (1937)
7 Moderato

8 Andante non troppo EDA 40: en hommage Joachim Mendelson
III: Sonata for violin and piano (1937)
8 Andante non troppo

9 Allegro EDA 40: en hommage Joachim Mendelson
III: Sonata for violin and piano (1937)
9 Allegro

IV: Chamber Symphony (1938)

10 Moderato e semplice EDA 40: en hommage Joachim Mendelson
IV: Chamber Symphony (1938)
10 Moderato e semplice

11 Larghetto EDA 40: en hommage Joachim Mendelson
IV: Chamber Symphony (1938)
11 Larghetto

12 Allegro con brio EDA 40: en hommage Joachim Mendelson
IV: Chamber Symphony (1938)
12 Allegro con brio

Synthese vor der Katastrophe – Hommage à Joachim Mendelson

„Ich lasse Ihnen von Herrn Joachim Mendelssohn ausrichten (Autor des Oktetts), nicht zu verwechseln mit Felix Mendelssohn, dass er bereit ist, die Kosten für die Aufführung zu tragen, in der Hoffnung, dass sie die Summe von 2.000 Francs nicht übersteigen, die er für diesen Zweck vorgesehen hat.“ Informationen zu Leben und Werk Joachim Mendelsons zu finden, gleicht der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Die einzigen zum Zeitpunkt der Redaktion dieses Textes vorliegenden Zeugnisse zu seiner Existenz sind – neben den fünf beim französischen Musikverlag Max Eschig gedruckten Werken, von denen vier hier in Ersteinspielungen vorgestellt werden – ein Foto und eine biographische Notiz von wenigen Zeilen aus dem Verlagsarchiv, ein kurzer Eintrag in Issachar Faters Enzyklopädie „Jüdische Musik in Polen zwischen den beiden Kriegen“ sowie einige Briefstellen aus der Korrespondenz zwischen Simon Laks und Nadia Boulanger von Ende 1929, aus der eingangs zitiert wurde. Joachim Mendelson, bzw. Mendelssohn, wie er sich bei seiner Ankunft in Paris 1929 noch schrieb, wurde 1892 in Warschau geboren. Über seinen familiären Hintergrund ist kaum etwas bekannt. Die zitierte Passage aus Laks‘ Brief lässt darauf schließen, dass er aus materiell abgesicherten Verhältnissen stammte: die Deckung von Kosten einer Aufführung bei der S.M.I. in Oktettbesetzung wäre sicher nicht vielen der jungen polnischen Komponisten, die sich der 1927 in Paris gegründeten „Association des Jeunes Musiciens Polonais“ anschlossen, möglich gewesen. Offenbar litt er an einer ähnlichen, mit Kleinwüchsigkeit verbundenen Krankheit wie Toulouse-Lautrec; ob die Erkrankung, die Laks in seinem Brief als Grund erwähnt, warum Mendelson sich nicht selber um seine Geschäfte kümmern könne, mit dieser Behinderung in Beziehung steht, ist unklar. Wahrscheinlich spielten auch rein sprachliche Gründe eine Rolle. Mendelson der aus Berlin nach Paris übergesiedelt war, schien des Französischen (noch) nicht mächtig und war vermutlich allein deswegen auf die Hilfe von Kollegen wie Laks – der eine zentrale Rolle in der Administration der Association spielte – angewiesen. Für die rasche Assimilation Mendelsons im Pariser Musikleben sprechen nicht nur die Verlagsangaben, sondern auch die Widmungen seiner gedruckten Werke: das Quatuor Roth, das französische Pendant zum Kolisch Quartett, das sich nachhaltig für zeitgenössisches Repertoire einsetzte, spielte mehrfach und offenbar auch auf Tournee sein noch in den 20er Jahren entstandenes 1. Streichquartett; Alexandre Tansman, neben Szymanowski, Paderewski und Rubinstein einer der wichtigsten Unterstützern der Association, der Ende der 20er Jahre zu den erfolgreichsten europäischen Musikerpersönlichkeiten gehörte, ist die Violinsonate gewidmet; dem ebenfalls in Paris ansässigen und auch bei Eschig verlegten irischen Komponisten Swan Hennessy die Kammersymphonie. 1935 folgte Mendelson einer Berufung als Dozent für Musiktheorie und Harmonielehre an der Musikademie in Warschau, wo er selber bei Henryk Opieński und Felician Szopsky studiert hatte. Fater erwähnt darüber hinaus Mendelsons Engagement in der Jüdischen Musikgesellschaft in Warschau. Mit der Zerstörung des Warschauer Gettos, wo Mendelson 1943 ermordet wurde, gingen sämtliche persönlichen Dokumente und Manuskripte verloren, mit der systematischen Niederbrennung Warschaus im Anschluss an den Aufstand 1944 wurde alles vernichtet, was an das professionelle Leben dieses wunderbaren Musikers vor 1939 hätte erinnern können. Was bleibt, ist eine Handvoll Werke von herausragender Qualität, die den Vergleich mit Kompositionen etablierter Autoren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht scheuen müssen.

Da Quellen zu ihrer Entstehungsgeschichte wohl unwiederbringlich verloren sind, ist eine genaue Datierung nicht möglich; die Erscheinungsdaten auf den Partituren müssen mit dem Kompositionsdatum keinesfalls identisch sein. Doch lassen stilistische Parallelen zwischen den Werken und Unterschiede zu dem bereits Mitte der 20er Jahre entstandenen Streichquartett die Komposition in zeitlicher Nähe zur Drucklegung plausibel erscheinen.

Wer der Musik Mendelsons erstmals begegnet, wird zunächst Orientierungsschwierigkeiten haben, denn sie widersetzt sich jeglicher stereotypen Zuordnung. Bei eingehender Beschäftigung wird eine intime Kenntnis der unterschiedlichsten, in den 30er Jahren in Europa anzutreffenden stilistischen Tendenzen offenbar. Die Studienzeit in Berlin hat stärkere Spuren im Werk hinterlassen als etwa bei Jerzy Fitelberg, der sich trotz seines Studiums in der Meisterklasse Schrekers von Anfang an in Richtung Strawinsky bewegte.Bei Mendelson ist hingegen nicht nur die Auseinandersetzung mit Schreker evident, sondern auch die intensive Beschäftigung mit Mahler, Strauss, Schönberg, Weill und Ravel. Obwohl in einem neoklassizistischen Umfeld entstanden, ist Mendelson’s Stil entfernt von aller neoklassizistischen und neobarocken Formelhaftigkeit und wirkt im Kontext des Strawinsky-nahen Néoclassicisme der ‚Pariser Schule‘ der Jeunes Musiciens Polonais eher fremd. Zwar finden sich neoklassizistische Strategien wie der Rückgriff auf klassische und barocke Formen und Satztechniken und die Integration folkloristischer Elemente, doch erscheinen sie nicht als konformistisches Bedienen längst etablierter anti-impressionistischer und anti-expressionistischer Postulate der 20er Jahre. Mendelson findet zu einer Klassizität der Synthese, der die Raffinesse des französischen „Impressionimus“ ebenso zu integrieren weiß wie Mahlerschen Weltschmerz und Strauss‘sche Emphase, den herben, rhythmisch pointierten Tonfall „neuer Sachlichkeit“ ebenso wie tänzerische Innigkeit slawischer Provenienz. Doch wie gelingt es Mendelson, dass sein von stärksten Kontrasten lebender musikalischer Kosmos nicht zerfällt?

Das Geheimnis dieses Stils liegt vermutlich in seinem theatralischen Urgrund. Je vertrauter man mit den Werken wird, umso klarer treten ihre musikalischen Charaktere als Protagonisten eines imaginären, tänzerisch-pantomimischen Theaters hervor, in dem – wie auf Strauss/Hofmannsthals Naxos – heiteres Vorspiel und ernstes Nachspiel ineinanderfließen. Ist es eine Harlekinade, in der sich die Figuren der Commedia dell‘Arte mit den Masken Ensors ein skurriles Stelldichein geben? Oder sind es Gestalten Shakespeares, die da vor unserem inneren Auge Gestalt annehmen? Wie ein halsbrecherischer, von einem Purzelbaum gekrönter Sprung auf die Bühne eröffnen die ersten Geigen, vom Schlagzeug angefeuert, den Kopfsatz der zweiten Sinfonie. Mit tänzerischem Elan sehen wir Puck auf die Bretter springen, die die Welt bedeuten, eine Welt, die kurz davor ist, aus den Fugen zu geraten. Vielleicht ist es doch ein Mendelssohn des 20. Jahrhunderts, der da den Vorhang aufzieht zu einem „Sommernachtstraum“, in dessen Wald sich verirrte Liebende, drollige Handwerksgesellen und Elementargeister tummeln? Wie in Shakespeares Nachtstück spielt auch bei Mendelson alles ineinander, das Lächerliche und das Erhabene, das Skurrile und das Zarte, Schalk und Mysterium. Und auch Mendelson gönnt seinen „Handwerkern“ zum Schluss einen Kehraus. Keinen Bergamasker natürlich, sondern ein hinreißendes „Tempo alla Mazurka“, möglicherweise die letzte Musik, die er als freier Mensch komponierte.

Nach der Besetzung Polens durch die Deutschen wurde jegliche Form der öffentlichen, professionellen kulturellen Betätigung untersagt, das Spielen von Musik mit nationalem Hintergrund als Sabotageakt bestraft. Mittelfristiges Ziel Hitlers war nicht nur die Vernichtung der jüdischen Zivilbevölkerung Polens, sondern auch die Auslöschung der kulturellen Identität der polnischen Nation, mit dem Ziel, ein dem germanischen Herrenmenschen untergebenes Sklavenvolk zu schaffen. Das Schicksal Mendelsons, von dessen Existenz immerhin fünf vollendete Kompositionen zeugen, ist ein dramatisches Beispiel für die unfassbaren Verwüstungen, die fünf Jahre deutschen Terrors in Polen anrichteten und die bis heute – zumindest musikgeschichtlich – kaum aufgearbeitet sind.

Großer Dank gilt den Musikern, die für diese Hommage aus den drei Ländern zusammenkamen, die Mendelsons Lebensachse markierten (Polen, Deutschland, Frankreich); Frau Małgorzata Małaszko, Direktorin des 2. Programmes von Polskie Radio, Frau Bogna Kowalska, Direktorin des Polnischen Rundfunkorchesters und Łukasz Borowicz, Chefdirigent und künstlerischer Leiter Polnischen Rundfunkorchesters Warschau, für ihre seit vielen Jahren anhaltende Unterstützung; Frau Nelly Quérol von Universal Music für die Hilfe bei der Zurverfügungstellung des Aufführungsmaterials; der Familie von Mendelsons Bruder Stanislas, insbesondere Marion Mendelsohn, für die Überlassung des Fotos des Komponisten sowie für die Verifizierung der biographischen Daten; und last but not least Gérald Hugon, ehemaliger Lektor des Verlags Max Eschig, der mich in einer unvergesslichen Begegnung in Paris am 11. September 2001 mit dem Werk Mendelsons bekannt machte, und ohne dessen Anregung diese Produktion nicht entstanden wäre.

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